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KHZG-Patientenportal: Wie die Sana Kliniken das Krankenhauszukunftsgesetz für die Digitalisierung nutzen

Timo Lamour

Timo Lamour

KHZG-Patientenportal am Klinikum Lichtenberg

Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) stellen Bund und Länder den Krankenhäusern 4 Mrd. Euro zur Verfügung, um die digitale Transformation des Gesundheitswesens endlich entscheidend zu beschleunigen. Doch funktioniert alles wie geplant? Und was sind die größten Herausforderungen? Im Interview gibt uns Henning Koch, Lead Digital Health Solutions bei Sana IT Services, exklusive Einblicke in die Digitalisierungsstrategie und ausgewählte Projekte der Sana Kliniken. Dabei ist er insbesondere für die Konzeption und Umsetzung des KHZG-Patientenportals „MeineSana“ verantwortlich. Im Artikel erfahren Sie,

  • warum die Sana Kliniken beim Patientenportal auf einen modularen Ansatz setzen,
  • wie entscheidend Branchensoftware-Lösungen für den digitalen Erfolg sind
  • und wie Gründer:innen im hochregulierten Gesundheitswesen Fuß fassen können.

 

1 Was sind deine Ziele und Aufgaben als Lead Digital Health Solutions bei Sana IT Services?

Meine Kernaufgabe war es ursprünglich, innovative Themen im Bereich Gesundheit zu identifizieren und zu prüfen, ob sie sowohl für Patienten als auch für Mitarbeiter relevant und kosteneffizient sind. Dieser Ansatz beinhaltete das Screening externer Lösungen, die Durchführung von Proof-of-Concept-Piloten in unseren Kliniken zur Validierung und schließlich die Bewertung ihrer Eignung für den gesamten Konzern.

Mit dem Aufkommen des KHZGs haben sich die Anforderungen an meine Position geändert. Insbesondere wurde mir das Projekt des KHZG-Patientenportals „MeineSana“ übertragen, das als Fördertatbestand 2 im realisiert wird. Wir haben gleich am Anfang entschieden, das Projekt nicht an einen Generalunternehmer zu vergeben, sondern nutzen stattdessen den Best-of-Breed-Ansatz. Dafür haben wir das Projekt in Module oder Themenbereiche aufgeteilt, für die verschiedene Unternehmen verantwortlich sind. Das Terminmanagement und die Video-Sprechstunde wurden z. B. von Doctolib übernommen, während Recare das Entlassmanagement verantwortet. Für den Daten- und Dokumentenaustausch zwischen Einrichtungen wurden zwei Unternehmen ausgewählt: Visus Health IT ist für das Repository und das Langzeitarchiv zuständig, während InterSystems die Kommunikationsserver betreibt. Außerdem haben wir die Integration aller Komponenten zu einer einheitlichen Gesamtlösung an das junge Unternehmen Avelios Medical aus München ausgelagert.

 

2 Über das KHZG fördern Bund und Länder Krankenhäuser seit Ende 2020 mit 4,3 Milliarden Euro bei der Digitalisierung. Was ist der aktuelle Stand bei euren KHZG-Projekten?

Die Sana Kliniken AG hat von den Fördermitteln des KHZG profitiert, wobei alle beantragten Projekte genehmigt wurden. Die Umsetzung gestaltet sich jedoch herausfordernd, da verschiedene Bundesländer unterschiedliche Förderbedingungen und Zeitvorgaben haben. Der zeitliche Druck erfordert eine Fokussierung auf die Umsetzung der Musskriterien, wobei die ästhetische Gestaltung vorerst in den Hintergrund tritt. Wir haben für jede Sana-Klinik eine spezielle Position „Leiter klinische Prozesse und Digitalisierung“ für die Verwaltung und Umsetzung der KHZG-Projekte in der jeweiligen Einrichtung geschaffen und setzen auf strukturierte Arbeitsmethoden wie die Verwendung von Blueprints in JIRA, um eine koordinierte Umsetzung und ein standardisiertes Rollout zu gewährleisten.

Die Sana Kliniken AG besteht aus verschiedenen über die Jahre akquirierten Einrichtungen, die mit ihren eigenen historisch gewachsenen Systemen ausgestattet sind. Gerade was KIS (Krankenhausinformationssystem) oder KAS (Klinisches Arbeitsplatzsystem) betrifft, verwenden wir in unseren Häusern eigentlich alles, was am deutschen Markt zur Verfügung steht. Dementsprechend ist ein so übergeordnetes Thema wie die Umsetzung eines KHZG-Patientenportals hinsichtlich der unterschiedlichen Anbieter und Schnittstellen relativ anspruchsvoll. Trotz einiger Verzögerungen bei den Ausschreibungsverfahren befinden sich unsere KHZG-Projekte im vorderen Mittelfeld des deutschen Marktes. Um den zeitlichen Anforderungen gerecht zu werden, müssen wir allerdings sehr schnell pilotieren und können dementsprechend auch keine große Lernkurve hinlegen. Wir werden weiter sehr stark parallel arbeiten müssen, d. h. wir fangen mit einem Krankenhaus an und dann vier bis sechs Wochen später wird mit dem zweiten Haus begonnen usw.

 

3 Alle Krankenhäuser müssen ihre KHZG-Förderprojekte unter Einhaltung gesetzlicher Fristen mehr oder weniger zeitgleich umsetzen. Welche Rolle spielt der Wettbewerb um digitale Fachkräfte für euch?

Fachkräfte spielen natürlich auch bei uns eine entscheidende Rolle. Der Grad der Prozessdigitalisierung oder Transformation, den wir alle durchlaufen, beeinflusst nicht nur die Patientenerfahrung, sondern auch die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeiter. Niemand möchte mehr auf Papier und Stift zurückgreifen. Zukünftige Arbeitgeber werden daher darauf geprüft, wie digital sie aufgestellt sind. Obwohl wir uns noch auf dem Weg befinden und unser Digitalisierungsgrad durchschnittlich ist, setzen wir uns aktiv dafür ein, diesen zu verbessern. Die Ernennung unserer neuen Vorständin, Stefanie Kemp, als Chief Transformation Officer signalisiert eine verstärkte Priorisierung von Themen wie Standardisierung und Harmonisierung, die auch für Fachkräfte relevant sind.

Wir haben auch, wie die gesamte Branche, Mitarbeiterfluktuation. Aber wir erkennen die Bedeutung eines digitalen Arbeitsumfelds und gehen die Herausforderung strategisch an, um Fluktuation zu reduzieren und Fachkräfte anzuziehen. Ich glaube, dass der digitale Stand eines Unternehmens oder Krankenhauses ein zunehmend wichtiger Entscheidungsfaktor sein wird, und zwar nicht nur aus Sicht der Patienten, sondern auch aus Mitarbeitersicht. Im privaten Bereich verlassen wir uns alle auf digitale Hilfsmittel. Die Entwicklung geht rasend schnell, und Arbeitgeber müssen daher am Ball bleiben und die Vorteile der Digitalisierung überzeugend vermitteln, um wichtige Fachkräfte zu gewinnen. Es ist keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Bewerber von allein zu uns kommen – wir müssen uns im aktuellen Markt eher bei ihnen bewerben.

Beim KHZG-Patientenportal setzt Sana u. a. auf Avelios
Sana-Transformations-Vorständin Stefanie Kemp (Mitte, oben) und das Avelios-Team auf der DMEA im April 2024.

4 Bei Terminbuchungen und Videosprechstunden setzt ihr auf Doctolib, beim Entlassmanagement auf Recare. Wie wichtig ist Branchensoftware bei eurem Digitalisierungsvorhaben?

Die Auswahl von Branchensoftware spielt eine zentrale Rolle in unserem Digitalisierungsvorhaben. Es gibt viele KIS-Systeme im Markt, die von ihrer dominanten Rolle wissen, und mittlerweile aufgrund des gesättigten Marktes mit Wartungsverträgen, Schnittstellen etc. ihr Geld verdienen. Dementsprechend haben wir mit den KIS-Herstellern immer die Herausforderung, die Lösung in unsere Systeme zu integrieren. Bei den Ausschreibungen, die wir für das KHZG-Patientenportal gemacht haben, integrieren wir aber nicht nur die großen Player. Während Doctolib und Recare als Anbieter mittlerweile zu Marktführern gewachsen sind, haben wir auch kleinere, aber flexible Unternehmen wie Avelios eingebunden. Die reibungslose Integration der einzelnen Komponenten ist zweifellos unsere größte Hürde. Denn nur eine One-size-fits-all-Lösung einzukaufen, ist in den seltensten Fällen erfolgreich. Daher sind kleinere Anpassungen und Feinabstimmungen unvermeidlich. Unsere neuen Architekturrichtlinien und klare Vorgaben für Lieferanten und Partner unterstützen uns jedoch bei der Standardisierung und Harmonisierung.

 

5 Ihr entwickelt aktuell mit „MeineSana” eurer eigenes KHZG-Patientenportal. Wie wollt ihr damit eine effizientere medizinische Betreuung erreichen?

Die Entwicklung von „MeineSana“ als eigenes Patientenportal im Rahmen des KHZGs ist für uns ein strategischer Schritt. Der Kampf um das Smartphone ist in vollem Gange. In diesem Augenblick entstehen etwa 1800 Patientenportale deutschlandweit und natürlich ist unser Anspruch, eines der führenden Portale zu werden. Als holistischer Gesundheitsdienstleister ist unser Ziel, nicht nur ein weiteres Patientenportal zu bauen, sondern vielmehr einen umfassenden Gesundheitskosmos anzubieten, der die gesamte Patientenreise begleitet. Durch die Einbindung verschiedener Angebote von Prävention und Symptom-Checker bis zur Terminplanung und Versorgung mit Hilfsmitteln verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der den individuellen Bedürfnissen unserer Patienten gerecht wird.

Um sicherzustellen, dass „MeineSana“ den Anforderungen unserer Patienten entspricht, haben wir intensive Workshops mit verschiedenen Benutzergruppen durchgeführt. Von Patienten bis hin zu Pflegekräften und Ärzten haben wir die Bedürfnisse an das Portal definiert. Dabei legen wir großen Wert auf eine benutzerfreundliche Gestaltung und Funktionalität, da wir davon überzeugt sind, dass nur ein intuitiv bedienbares und ästhetisch ansprechendes Portal den Nutzern einen echten Mehrwert bietet. Und am Ende des Tages wird sich das, was Mehrwert generiert und Nutzen stiftet, auch durchsetzen. Unsere Partnerschaft mit Avelios, einem flexiblen Unternehmen, ermöglicht es uns, schnell auf Änderungswünsche zu reagieren und sicherzustellen, dass „MeineSana“ kontinuierlich an die sich verändernden Anforderungen angepasst wird. Hierzu gehört es auch up-to-date zu bleiben, was innovative Technologien oder politische Entscheidungen z. B. in Bezug auf die elektronische Patientenakte betrifft.

KHZG-Patientenportal Patient Journey Darstellung
Schematische Darstellung der Patient Journey mit dem KHZG-Patientenportal „MeineSana“.

6 Das KHZG kann nur der Anfang sein. Im Vergleich der digitalen Reifegrade hinken wir in Europa und weltweit hinterher. Was ist ein wichtiger Punkt für die Reformation des deutschen Gesundheitssystem damit die Aufholjagd nachhaltig ist?

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor der Herausforderung, sich weiterzuentwickeln und digital aufzuschließen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Ein entscheidender Aspekt ist hierbei die Notwendigkeit, experimentierfreudiger zu sein und die Bürokratie ein bisschen runterzuschrauben. Oftmals denken wir, dass wir vieles besser können. Wir wollen etwas perfekt machen, diskutieren sehr lange über Themen und versuchen jeden Sonderfall mitzudenken, anstatt Dinge einfach auszuprobieren. Es bedarf einer Kultur des Vertrauens und des Mutes, neue Ansätze zu wagen, anstatt alles mit genauesten Regulierungen zu erdrücken. Obwohl das Gesundheitswesen traditionell zehn bis 15 Jahre hinter anderen Industrien zurückliegt, besteht weiter die Möglichkeit, durch mutige Innovationen und den Einsatz moderner Technologien wie GenAI einen großen Sprung nach vorne zu machen.

 

7 Du hast in deiner Karriere sowohl selbst in einem Start-up gearbeitet als auch Start-ups geholfen im Gesundheitswesen Fuß zu fassen. Was rätst du jungen Gründer:innen?

Jungen Gründern im Gesundheitswesen rate ich, sich nicht nur auf die Idee oder die Technologie zu konzentrieren, sondern auch auf die erforderlichen Branchenkenntnisse. Es ist entscheidend, erfahrene Fachleute ins Team zu holen, die den Weg durch den komplexen Dschungel des Gesundheitswesens bereits kennen und wertvolle Unterstützung bieten können. Obwohl der Prozess langwierig, kosten- und regulierungsintensiv sein kann, bietet das Gesundheitswesen auch stabile Einnahmequellen und eine solide Basis für Wachstum. Flexibilität und die Fähigkeit, Lücken zu erkennen und zu nutzen, sind entscheidend, um erfolgreich Fuß zu fassen und sich langfristig im Gesundheitssektor zu etablieren. Denn wenn man einmal drin ist, wird man auch nicht so schnell wieder rausgeworfen. Darüber hinaus ist es wichtig, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das sowohl verständlich als auch regulierungskonform ist. Start-ups sollten unbedingt auch die Möglichkeiten in anderen Märkten erkunden, bevor sie sich ausschließlich auf den deutschen Markt konzentrieren. Deutschland ist zwar ein sehr attraktiver Markt, aber nicht der einfachste.

 

8 Wie sieht das Krankenhaus der Zukunft aus und welche Rolle spielen Plattformen dabei?

Das Krankenhaus der Zukunft wird zunehmend von Plattformen wie den KHZG-Patientenportalen geprägt sein, die eine Vielzahl von Lösungen und Dienstleistungen integrieren. Wir haben „MeineSana“ bewusst als offene Plattform konzipiert, die maximale Anschlussfähigkeit bietet und es ermöglicht, die besten Lösungen am Markt zu integrieren. Dieser Plattformgedanke erstreckt sich auch auf unsere gesamte IT-Landschaft, wo wir eine Standardisierung anstreben, um Effizienzen zu steigern und Ressourcen besser zu nutzen. Durch die Einführung einer einheitlichen Plattform können Mitarbeiter nahtlos zwischen verschiedenen Einrichtungen wechseln, da sie mit den gleichen Systemen vertraut sind, was zu einer verbesserten Effizienz und einem reibungsloseren Betrieb führt.

Der Plattformgedanke ist fest bei uns verankert und mit ihm auch die Offenheit, spezifische regionale Angebote zu entwickeln oder mit neuen technischen Partnern zusammen zu arbeiten. Diese Offenheit ermöglicht es uns, von verschiedenen Quellen zu lernen und die besten Ansätze für unsere Patienten und Mitarbeiter zu identifizieren. Wir sind immer darauf bedacht, über den Tellerrand hinauszuschauen, z. B. zu Ländern wie den USA, Großbritannien oder Schweden, um dort Best Practices zu erkunden – wobei wir stets schauen müssen, dass die übernommenen Konzepte sinnvoll an unsere Bedürfnisse angepasst werden können.

 

9 Welche Technologien haben das größte Potenzial für die Digitalisierung des gesamten Gesundheitswesens?

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird maßgeblich von Technologien wie generativer KI vorangetrieben, insbesondere im Bereich der Unterstützungsdienstleistungen. Eine vielversprechende Entwicklung liegt in der Nutzung von KI zur Auswertung von medizinischen Bildern. Ich glaube das meiste Potential steckt in einer Mischung aus Künstlicher Intelligenz und menschlicher Intuition und Empathie. Indem die Technologie Ärzte und Ärztinnen bei der Diagnose und Behandlung unterstützt, ermöglicht das eine effizientere und präzisere Patientenversorgung. Zusätzlich zur Automatisierung und Entlastung von administrativen Aufgaben haben Technologien wie KI das Potenzial, die Datenauswertung zu optimieren und neue Erkenntnisse zu generieren, wodurch langfristig die Qualität der medizinischen Versorgung verbessert werden kann.


Sie möchten mehr darüber erfahren, wie wir Sie im Digital-Health-Bereich bei der Konzeption und Umsetzung von Softwareprojekten unterstützen können? Dann lesen Sie auf unserer Gesundheitsleistungsseite weiter.

Wie können wir helfen?

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