
Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich bei uns seit 2020 die Anzahl der Meetings – insbesondere der online Meetings – rapide erhöht. Momentan leben wir bei SPRYLAB ein hybrides Arbeitsmodell. Abgesehen von einem Präsenztag pro Woche ist es allen freigestellt, aus dem Büro oder von zuhause zu arbeiten. So ist es Alltag für uns, dass in Meetings mindestens eine Person remote zugeschaltet ist. Nicht selten nehmen alle online teil.
Allerdings hat Jeffrey Hancock, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Stanford University, herausgefunden, dass Videokonferenzen viel anstrengender sind als persönliche Treffen. Die Erschöpfung und Müdigkeit, die durch Videokonferenzen verursacht wird, hat den Namen „Zoom Fatigue“. Die Ursache dafür ist, dass man bei Video-Konferenzen nicht nur von anderen „beobachtet“ wird, sondern sich auch ständig selbst sieht. Ich persönlich kann mir vorstellen, dass Video-Konferenzen auch deswegen anstrengender sind, weil non-verbale Hinweise fehlen und man auf einem Screen direkt mehrere Gesichter sieht.
Unstrukturierte Meetings
Das heißt, wir haben nicht nur mehr Meetings als früher, sondern diese Meetings sind für uns auch anstrengender. Die Kalender der meisten SPRYLAB-Kolleg:innen waren – insbesondere der Führungskräfte – übervoll mit Terminen. Bei vielen Problemen lautete die geläufige Antwort „Ich stell uns einen Termin ein.“
Das Ergebnis war:
- Zu viele Meetings
- Mit zu vielen Teilnehmer:innen
- Mit unklarer Zielvorgabe
Den eingeladenen Kolleg:innen war oft unklar:
- Worum geht es in dem Termin?
- Warum muss ich dabei sein?
Zum Thema, wie man gute Meetings führt, gibt es eine Vielzahl von Literatur und Tipps von anderen Tech-Unternehmen. Die Krux dabei ist, genau die richtigen Dinge für die eigene Organisation herauszufiltern, damit sie einerseits einen Effekt haben und gleichzeitig die Kolleg:innen nicht überfordern. Deswegen haben wir uns auf fünf Dinge konzentriert.
Vorab: Bei uns startet ein Meeting mit drei Personen. Wenn sich zwei Personen treffen, um sich auszutauschen, bedarf es keiner besonderen Vorbereitung.
1. Entscheiden, ob ein Meeting wirklich notwendig ist
Das Hauptproblem war, dass zu schnell Meetings eingestellt werden. Daher wollten wir bevor wir die Qualität der Meetings verbessern, zunächst die Anzahl der Meetings reduzieren. Dafür haben wir einen Meeting-Entscheidungsbaum eingeführt. Diesen können sich alle als Hilfestellung heranziehen, um herauszufinden, ob ein Meeting zum aktuellen Zeitpunkt Sinn ergibt.

2. Festlegen, welches Ziel das Meeting verfolgt
Grundsätzlich sollte jede Handlung – nicht nur im Business-Kontext – zielorientiert sein. Vor jeder Maßnahme, die geplant wird, steht die Frage: Was will ich damit erreichen? Oft endet diese zielorientierte Denkweise bei der Erstellung von Meetings. Die Kolleg:innen haben ein Problem, sind vielleicht gestresst, hatten noch keine Zeit, sich über das Problem Gedanken zu machen und stellen erst einmal einen Termin mit vier Teilnehmer:innen ein.
Wir haben nun eingeführt, dass sich jeder, der ein Meeting erstellen will, erst einmal selbst fragen soll: Was will ich am Ende des Meetings besprochen, entschieden oder entdeckt haben? Der erste Schritt ist also stichpunktartig ein oder mehrere Meeting-Ziele zu definieren. Diese sollten dann Teil der Kalendereinladung sein.
3. Eine effektive Agenda gestalten
Eine Meeting-Agenda zu haben, hilft allen Teilnehmer:innen dabei, klare Erwartungen an das Meeting zu setzen. Wir haben festgelegt, dass jedes Meeting eine Agenda haben sollte – und zwar bevor das Meeting startet. Sie sollte in der Kalendereinladung stehen. Das muss auch gar nicht kompliziert sein, zwei bis drei Stichpunkte reichen vollkommen aus.
Ein paar Tipps für eine effektive Agenda:
- Festlegen, wer für welche Themen zuständig ist
- Themen auswählen, die für das gesamte Team relevant sind
- Die einzelnen Agenda-Punkte als Fragen auflisten
- Einen realistischen Zeitrahmen für jedes Thema einschätzen
- Festlegen, wie sich die Teilnehmer:innen auf das Meeting vorbereiten sollen

4. Meetings moderieren
Bei Meetings ist es auch wichtig, dass jemand die Verantwortung für den Ablauf und die Ergebnisse übernimmt. Bei uns ist das die Person, die zum Meeting einlädt. Diese Person ist automatisch Moderatorin des Meetings und verantwortlich für die Struktur und den Prozess. In erster Linie geht es darum, dass die Meeting-Zeit bestmöglich genutzt wird.
Noch ein paar weitere Regeln:
- Es sollte es in Ordnung sein, dass die Moderatorin andere unterbricht
- Die Moderatorin ist dafür verantwortlich, dass während des Meetings Notizen gemacht werden. Die Moderatorin kann andere Teilnehmer für diese Aufgabe benennen.
- Wenn möglich, sollte das Meeting nicht von einer Führungskraft moderiert werden, das gibt den Teilnehmer mehr Freiheit über die Inhalte des Meetings.
5. Besprechungsnotizen schreiben
Der Moderator definiert am Anfang des Meetings, wer für die Besprechungsnotizen verantwortlich ist. Projektbezogene Besprechungsnotizen erfassen wir in Confluence – das ist unser zentrales Tool für Dokumentation und Wissenstransfer.
Bei nicht-projektbezogenen Notizen ist es unseren Mitarbeiter:innen freigestellt, ein Tool ihrer Wahl zu benutzen. Das könnte Microsoft OneNote, Microsoft Teams oder ein einfaches Word-Dokument sein.
Must-have Infos sind:
- Datum
- Teilnehmer:innen
- Wichtigste Erkenntnisse
- To Do’s mit Frist und Verantwortlichem
Fazit
Die Kultur einer Organisation zu verändern, ist nicht einfach und erfordert viel Durchhaltevermögen. Dass alle Mitarbeiter:innen ihr Verhalten auf einmal verändern und sich dann 100% an alle neuen Meeting-Regeln halten, ist eher unwahrscheinlich. Es hilft, realistische Erwartungen zu haben. Den Führungskräften kommt hierbei eine besondere Vorbildfunktion zu.
Was wir bisher erreicht haben, ist, dass eine gewisse Aufmerksamkeit auf dem Thema liegt und die Mitarbeiter:innen kritischer gegenüber unstrukturierten Meetings sind. Ein paar Wochen nach der Einführung ist es bei uns noch so, dass ca. die Hälfte der Belegschaft (52%) den Meeting-Regeln folgt.
Ganz im Sinne der individuellen Softwareentwicklung lassen wir es uns offen, die Meeting-Regeln zu überarbeiten. Immer wieder lese ich spannende Impulse zum Thema Meeting-Kultur und werde diese einarbeiten, sofern sie sinnvoll erscheinen. Außerdem führen wir regelmäßig kurze Umfragen („Pulse Checks“) durch, um das aktuelle Stimmungsbild abzufragen und ggf. etwas zu verändern.
Haben Sie Muster wiedererkannt, die auch in Ihrem Unternehmen vorkommen? Dann erwägen Sie doch mal ein Meeting über Meetings zu halten und mit einfachen Regeln zu starten. Ich verspreche Ihnen, die Zeitersparnis und Mitarbeiterzufriedenheit sind es allemal wert.





